

Wie kam es eigentlich zu diesem Tagebuch und was haben wir in den letzten vier Monaten dazugelernt?
Nun ja, ich wollte wenigstens einmal im Leben eine Katzenkinderstube in meinem Haus haben. Und heute gibt es auch nicht mehr den leisesten Zweifel daran, dass es richtig war. Im Gegenteil, selbst mein Mann steht dem Gedanken an eine weitere Kittenaufzucht nicht ablehnend gegenüber, war er doch am glücklichsten, wenn abends unsere kleinen „Monster“ ihre Verfolgungsjagden rund um unseren Esstisch veranstalteten.
Und so fing alles an: eigentlich wollte ich meine Luna zu einem B-Kater von Frau Franck auf Hochzeit schicken, aber als wir den Termin bereits vereinbart hatten , machte unsere rollige Katze uns einen Strich durch die Rechnung: eines Abends war sie – zum ersten Mal in ihrem Leben - für Stunden verschwunden und kam erst tief in der Nacht maunzend wieder nach Hause. Jetzt musste ich erst mal meine Pläne ändern, denn wer wusste, wie sie sich die Stunden außer Hause vergnügt hatte? Zumal eine Trächtigkeit von einem unbekannten Kater für unsere Katze ein erneutes Drama gewesen wäre; sind doch fast alle Hauskatzen A-Tiere. Aber das Schicksal hatte ein Einsehen – es war nichts passiert; Luna wurde einige Wochen später wieder rollig und nun konnte standesgemäß Hochzeit gefeiert werden.
Allerdings stand aus verschiedenen Gründen nunmehr Frau Francks Kater nicht mehr zur Verfügung. Ich setzte mich also mit Frau Bull aus Freiburg in Verbindung – ein ganz großer Glücksfall, wie sich erweisen sollte. Aramis von Winterhoff und unsere Xaveria aus dem Hause Franck (eigentlich Luna) wurden ein Paar: das klingt so einfach und wenn man das Ergebnis sieht, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, was da für Probleme bestanden haben sollen – aber fragen Sie einmal Frau Bull! Ohne ihre und ihres Mannes liebevolle bis aufopfernde Zuwendung hätten unsere beiden Alpha-Tiere sicher nicht zueinander gefunden. Es sah am Anfang eher nach einer Kampfarena aus als nach einem Hochzeitsfest.
Aber als wir Luna dann, nach mehrfach verschobenem Termin, endlich abholen konnten, sah man nur noch Harmonie zwischen Aramis und Luna. Und so stellte sich auch bald ein, worauf wir so sehnsüchtig gehofft hatten: Luna wurde immer träger, fraß immer mehr und dann - endlich - schwollen auch die Zitzen! Jetzt waren wir sicher.
Als wir den Kalender zu Rate zogen, stellten wir erstaunt fest, dass wir nach der Berechnung wohl lauter kleine „Christkinder“ bekommen würden.
Und so kam es dann auch; nachdem meine Luna mich tagelang zum Narren gehalten hatte und jedes Mal, wenn ich zu einer außerhäuslichen Aktivität aufbrechen wollte, sich maunzend und unruhig in ihre Wurfkiste verzogen hatte, sodass ich Weihnachtsfeiern und Christmette vergessen konnte, legte sie uns am ersten Weihnachtfeiertag abends zwischen 20:20 und 23:20Uhr sechs wunderschöne, vitale Katzenbabys unter den Weihnachtsbaum!
Und damit fingen 12 Wochen voller Lebensfreude und Aktivität an, mit viel Arbeit und manch unruhiger Nacht. Aber auch mit der Bekanntschaft zu vielen netten Menschen und jetzt am Ende schmerzvollem Abschiednehmen. Aber eins nach dem anderen!
Wer wie ich zum ersten Mal einen Wurf aufzieht, ist eigentlich jeden Tag überrascht und erlebt sicher vieles noch intensiver als eine „erfahrene“ Züchterin. Andererseits sehe ich, die ich mein Leben lang mit Menschen in Ausnahmesituationen gearbeitet habe, wahrscheinlich vieles mit anderen Augen. Schon die Tatsache, wie selbstverständlich sich in den ersten Wochen alles fügte, ohne dass wir Menschen etwas dazutun mußten außer für Mamas Fressen und frische Wäsche zu sorgen, war für mich ein Wunder. Diese 100g leichten Fellbündel fanden sich mit einer Selbstverständlichkeit auf der ihnen doch noch so fremden Welt zurecht, dass es mir ganz unglaublich erschien. Wenn man bedenkt, wie hilflos ein Menschenbaby die ersten Lebensmonate verbringt und dann vergleicht mit welcher Sicherheit sich die 100g - Kätzchen zu ihrer Mutter hin orientieren, ihre Zitze auch im Kampf gegen die Geschwister im wahrsten Sinne des Wortes blind finden, sich sofort zu einem Fellhäufchen zusammenrotten, wenn Mutter auch nur kurz die Wurfkiste verlässt – ja da kann man nur staunen! Es ist gar keine Frage, ob Mutter sich genervt fühlt oder nicht - sie ist immer da, die Kleinen nach dem Säugen zu lecken und zu pflegen, sorgt dafür, dass Keines der Kleinen abhanden kommt und behält immer alle im Blick. Und wenn dann die ganze Mannschaft auf einmal anfängt die Wurfkiste zu verlassen, wenn sich jedes der 6Kleinen in eine andere Richtung aufmacht, auch dann noch behält Mutter die Ruhe und weist nur hin und wieder daraufhin, was ihrer Meinung nach jetzt wichtig und richtig ist! Und siehe da, dann wird auch schon mal Eines gegriffen und zwischen die Pfoten genommen, da wird schon mal getretelt - und auch ein sanfter Biss in die Kehle kann erzieherisch sehr wertvoll sein. Aber im Großen und Ganzen habe ich all die Wochen hindurch bewundernd beobachtet, dass Mutter einfach ihre Aufgabe erledigt hat, sich nicht durch die eigenen Bedürfnisse hat ablenken lassen und trotz allem immer mehr Souveränität ausstrahlte. Ein klein wenig davon würde ich manchen Menschenmüttern wünschen! Wie weit haben wir Menschen uns doch manchmal von den natürlichen Ursprüngen entfernt!
Die nächsten Wochen waren eine einzige Lebensfreude, alle wuchsen und gediehen, alle wurden immer schöner und entwickelten ihre eigene Persönlichkeit. Und das war das nächste Erstaunliche für mich: wie sich in so kurzer Zeit, die verschiedenen Charaktere entwickelten, wie sich Mut und Gelassenheit, Ängstlichkeit und Neugier in den Sechsen ganz unterschiedlich ausprägten. Und auch, wie wenig man von den ersten Eindrücken auf die bleibenden Persönlichkeiten schließen konnte. Z.B. unsere Aurora: die ersten Wochen war sie den anderen immer einen Schritt voraus, wenn es um Erkundungen ging; sie saß als erste auf dem Dach des Katzenhauses und musste einen Weg nach unten finden, sie erklomm als erste die Fensterbank, die Sessellehne und die Kommode. Aber je älter sie wurde, um so mehr zeigte sich ihre Scheu den Menschen gegenüber und wenn ich bei Amor am Anfang das Gefühl hatte, er sei der Scheueste und Ängstlichste, so entwickelte er sich rasch zu einem echten Schmusebär, wurde ein wilder kleiner Kerl, der gar nicht mehr aufhören konnte zu tollen und zu spielen. Und Attila, der anfangs mit Abstand der Zutraulichste war, der als Erster die Augen offen hatte und als Erster den Fluchtversuch aus der Wurfkiste probierte, er entwickelte ein Phlegma, das dem eines echten Löwen gleichkommt: träge in der Sonne liegen und zuschauen, wie die anderen sich mit den Spielsachen auf Touren bringen , das wurde zu seinem Ding. Zur Aktivität muss man ihn auffordern! Und wenn da nicht die anderen gewesen wären, ….
Ja solche Erfahrungen muss man erst einmal machen! Und sollte ich noch einmal einen Wurf wagen, bin ich, zumindest was dies anbelangt, deutlich schlauer: ich werde meine Kleinen die ersten Wochen nicht fest zusagen, sondern mir immer noch ganz ehrlich die Möglichkeit offen lassen, sie nach ihrem Charakter den einzelnen Interessenten zu zuorden. Diesmal habe ich Glück gehabt; alles fügte sich zum Schluss zur Zufriedenheit, aber es hätte auch schief gehen können. Denn wenn jemand einen besonders stillen Hausgenossen möchte und das anfangs zugesagte Tier, in meinem Fall z.B. Amor, entwickelt sich ganz anders als erwartet, dann könnten sich schon Probleme ergeben.
Und dann der Abschied - der Umzug der Kleinen in ihre neuen Umgebungen! Das war für mich das, was ich am meisten gefürchtet hatte und was dann so schlimm doch nicht war. Vielleicht hatte ich aber auch nur unverschämtes Glück sowohl mit meinen Kitten als auch mit den „Katzeneltern“. In jedem Fall bekam ich nach ein bis zwei Tagen eine Rückmeldung und jedes Mal hörte ich mit großem Erstaunen, dass alles unproblematisch verlaufen war, dass es keine Eingewöhnungsprobleme gab, dass sich schon bald in den neuen Familien die gewünschte Harmonie einstellte. Selbst Aphrodite, die im Kreis ihrer Geschwister durch eine extreme Menschenscheu auffiel, war nach zwei Tagen zum Schmusetier mutiert und verbrachte die Abende auf dem Schoß ihrer neuen Menschen. Und die anfängliche Scheu gegenüber den Enkelkindern der Familie hat sie inzwischen auch weitgehend abgelegt.
Eigentlich konnte ich das alles gar nicht glauben! Aber als meine letzte Kleine ging, konnte ich mit eigenen Augen sehen, was für großartige, selbstständige Charaktere unsere Chartreux-Kätzchen doch sind. Dieses eine Mal brachte ich das Kleine selbst in die neue Umgebung, in der schon ein 1jähriger Chartreux-Kater lebt. Bedenken hatte ich, denn das war ja etwas anderes, sich einem fremden Tier gegenüberzusehen, wo Aurora bisher nur ihre Mutter und Geschwister kannte. Aber hier erlebte ich es selbst: Aurora wollte, kaum dass wir in der Wohnung waren, aus ihrem Kendel raus, ungeduldig streckte sie ihr Pfötchen durch das Gitter und dann beobachteten sich die beiden Tiere etwa 15Min intensiv. Dann zog meine Kleine los auf Entdeckungstour: das Schwänzchen in die Höhe, das Köpfchen stolz erhoben, so inspizierte sie die ganze Wohnung mit einer Selbstverständlichkeit und Selbstsicherheit, dass es mir fast die Sprache verschlug; kein verschrecktes Verkriechen in irgendeiner Ecke, kein eingezogener Schwanz oder eingeknickter Rücken! Und auch der Kater verhielt sich völlig aggressionslos; er folgte der neuen vierbeinigen Gefährtin stundenlang in gebührendem Abstand durch die ganze Wohnung und als beide erschöpft waren, legten sie ein Päuschen ein, ließen sich nieder, Auge in Auge, wenn auch in gebührendem Abstand.
Dieser letzte Abschied rundete die Erlebnisse der vergangenen 14Wochen so wundervoll ab, weil ich nun das Gefühl habe, genau das erreicht zu haben, was mir vorschwebte: für eine kleine Auswahl Menschen Katzenkinder aufzuziehen, die glücklich und furchtlos mit ihren Menschen zusammenleben werden - und diese mit ihnen.
Alles in allem war es eine wunderschöne Zeit, eine Zeit ohne viel Freizeit, denn eigentlich drehte sich zu Hause alles um die Kitten, aber eine ungeheuer reiche Zeit, eine Zeit, die keiner aus unserer Familie missen möchte!
- ENDE -